Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.: Der Geist der Liturgie. Eine Einführung. Herder 2000/2013

Von Ratzinger ist fast alles genial, schon allein die Tatsache, dass er fast nur Artikel und fast keine Bücher geschrieben hat. So bleibt das Werk überschaubar. Eines der Bücher ist das Liturgie-Buch, dessen Titel eine Anleihe bei Guardinis „Vom Geist der Liturgie“ ist.

Besonders ratzingerianisch ist hier kosmische Dimension des christlichen Kultes:

Im 5. Jahrhundert gab es eine Kontroverse zwischen Rom und Alexandrien über die Frage, welches Datum als letztmöglicher Ostertermin zu betrachten sei. Gemäß alexandrinischer Tradition war dies der 25. April. Papst Leo der Große (440-461) kritisierte dieses so späte Datum mit dem Hinweis, Ostern müsse gemäß biblischer Weisung in den ersten Monat fallen. Damit ist nicht etwa der April gemeint, sondern die Zeit, in der die Sonne den ersten Abschnitt des Tierkreises durchschreitet das Sternbild des Widders. Das Sternbild am Himmel schien im voraus und für alle Zeiten von dem »Lamm Gottes zu sprechen, das die Sünde der Welt hinweg nimmt (Joh 1,29), von dem, der alle Opfer der Unschuldigen in sich zusammenfasst und ihnen Sinn gibt. Die geheimnisvolle Erzählung von dem Widder, der sich im Gestrüpp verfangen hatte und an die Stelle Isaaks als das von Gott selbst bestimmte Opfer trat – sie wird nun als Vor-Geschichte Christi verstanden, die Baumgabel, in der er hing, als Abbild des Tierkreiszeichens des Widders und dieses wiederum als das himmlische Vor-Bild des gekreuzigten Christus. Dabei ist noch anzumerken, dass jüdische Überlieferung das Abrahamsopfer auf den 25. März datiert. Dieser Tag wurde – wie wir gleich noch näher werden bedenken müssen aber auch als der Tag der Weltschöpfung angesehen als der Tag, an dem Gottes Wort verfügte: „Es werde Licht!“ Schon früh wurde er schließlich auch als der Sterbetag Christi und endlich auch als der Tag seiner Empfängnis betrachtet.

– Ratzinger, Der Geist der Liturgie (in: Gesammelte Schriften 11, Herder 2014), S. 96.

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