Franz Werfels kurios psychedelischer Roman, eine Reise ins Universum und zugleich ins Innere des Menschen.
Ein alter Spruch sagt: Veritas vincit. „Die Wahrheit siegt.“ In diesem Spruch steckt eine protestantisch idealistische Überschätzung der irdischen Verwirklichung. Gewiß, am Ende aller Menschheitstage wird die Wahrheit gesiegt haben. Bis dahin aber geschieht zumeist das Umgekehrte: Victoria verifacit. „Der Sieg macht wahr.“ Jede historische Epoche spiegelt das Gesicht dessen wieder, der zuletzt gesiegt hat. Das galt auch hier. Die Mitternacht mochte nicht fern sein, als wir irgendwo in der Nähe der „Ehemaligen Unterstadt“ auftauchten. Der dichte astromentale Sternenhimmel wölbte sich über uns. Die Menschenwelt unter ihm aber begann bereits das Gesicht des Dschungels anzunehmen. Mein letzter Eindruck demnach, den ich von der astromentalen Kultur davontrug, war, daß sie aufgehört hatte zu bestehen, um etwas Neuem Platz zu machen, dass ich noch äußerst undeutlich und verwischt ankündigte. Dabei schienen die astromentalen Errungenschaften ohne Pause weiter zu funktionieren. Die schwarze Tafel am Firmament, wo die Sternlein zu den Abendsternen Heute zusammenhüpften, brachte jede zwei Minuten neue Nachrichten. Zu meiner Verwunderung war aber der Ton dieser Notizen völlig verschieden von dem gestrigen und vorgestrigen.
Werfel: Stern der Ungeborenen, Fischer 1992. S. 673