Man könnte meinen, die Dunkle Nacht der Seele sei im Grunde nur zwei Kategorien von Menschen zugänglich: zum einen erprobten Mystikern mit Affinität zu spanischer Poesie, zum andern sanften, blumengeschmückten Esoterikern, die fromme Liebeslyrik lieben.
Juan de la Cruz‘ Gedicht, von dem der Titel sich ableitet, bleibt doch ein sehr eigenes, thematisiert aber nichts anderes als die aller Mystik zu eigenen Suche der Seele nach Gott – Parallelen zum biblischen Hohelied der Liebe sind offenkundig:
In einer Nacht, dunkel, in brennender Liebessehnsucht entflammt, – o glückliches Geschick! – ging ich hinaus, ohne bemerkt zu sein; mein Haus war schon zur Ruhe gekommen. […]
In der Nacht, glücklich, insgeheim,
daß niemand mich sah und ich
auf nichts schaute,
ohn‘ anderes Licht und Führen,
als das im Herzen brannte.
Dies führte mich
Johannes vom Kreuz 2009: S. 27.
sicherer als das Licht des Mittags,
wo auf mich wartete,
den ich gut kannte,
dorthin, wo niemand sich zeigte.
O großes, heiliges Spanien! Die Liebespoesie von Johannes vom Kreuz hat nichts blumiges, sondern ist härtester, durchlittener Liebesbeweis der Seele an ihren Gott. Nichts für zarte Gemüter.
Wie hilfreich, dass das Werk nicht nur aus dem kurzen achtstrophigen Gedicht besteht, sondern jeder Strophe ein erläuternder Kommentar beigefügt ist, der den Leser in und durch die dunkle Nacht begleitet und die tiefen Einsichten des großen Heiligen in die menschliche Seele, im eigenen Inneren erprobt, erforscht und erlitten, offenbart. Ausgehend von handfesten, typischen und den Leser nicht selten überführenden „Anfängerfehlern“ die am Beginn des Weges der sich vertiefenden Spiritualität stehen, erläutert Johannes vom Kreuz nach und nach den Prozess der inneren Läuterung und Loslösung im sinnlichen wie geistlichen Bereich (das nämlich ist die „Dunkle Nacht“), dessen Ziel nichts anderes ist als die liebende, gereinigte Vereinigung mit Gott selbst. Ein großer Trost in Wüsten-Phasen der geistlichen Trockenheit und Prüfung, die mithilfe der Lektüre der Dunklen Nacht einen neuen Sinn erhalten.
Einfacher, zur Hinführung zum Autor, sind seine Briefe. Danach kann es mit der Dunklen Nacht weitergehen. Mehr vom Karmel gibt es hier.
Und auch wenn sie nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, so bestehen doch Ähnlichkeiten zu einem anderen spanischen Heiligen und großem spirituellen Lehrer: Ignatius von Loyola.