Sigrid Undset: Katharina Benincasa. Bonner Buchgemeinde 1953

Mit Katharina Benincasa widmet sich die norwegische Nobelpreisträgerin Sigrid Undset dem Leben und Wirken der heiligen Katharina von Siena. Sie entwirft damit ein weiteres Mal ein inspirierendes Frauenporträt, in dem, anders als bei der historischen Romantrilogie Kristin Lavranstochter, mit der ihr Name untrennbar verbunden ist, die Vita einer Persönlichkeit vor den Augen des Lesers Gestalt annimmt, die real existiert hat, auf dieser Erde gewandelt ist und die mit ihrem Leben und Leiden Spuren hinterlassen hat – in einem bereits zu ihren Lebzeiten erstaunlichen Ausmaße.

In Katharina Benincasa, der unscheinbaren Färberstochter aus Siena, dem 23. Kind frommer und doch gewöhnlicher Eltern, entbrannte schon in frühester Kindheit die Liebe zu einem Leben der Hingabe an Christus und sie entwickelte eine für ihr Alter ungewöhnlich ernsthafte und tiefe Frömmigkeit, in der bereits angelegt war, was sich in ihrem weiteren Lebensweg entfalten und in ihrem Tod zu Blüte und Vollendung kommen sollte. Ursprünglich einem Leben in Zurückgezogenheit und Gebet zugeneigt, war sie doch zu anderem berufen: Zu Werken der tätigen und geistigen Barmherzigkeit in der Welt, zur geistlichen Mutterschaft den ihr anvertrauten Seelen gegenüber und nicht zuletzt zu einem Wirken als unermüdliche Friedensstifterin in den kirchen- und weltpolitischen Konflikten ihrer Zeit, ja sogar als Ratgeberin von Päpsten.

Mit Katharina Benincasa entführt Undset den Leser in das erstaunliche Leben einer italienischen Heiligen aus dem 14. Jahrhundert und das gelingt ihr ebenso fesselnd, wie sie es bei Kristin im gleichen Zeitraum in die Welt des mittelalterlichen Norwegens tut, wobei ihr Werk nicht nur ästhetischen, sondern auch geistlichen Gewinn und Genuss bietet.

Hier eine Kostprobe:

„Von nun an konnte sie niemanden, und auch sich selbst nicht, anders sehen als in Gott, und nur in Gott dachte sie auch an sich selbst und die anderen. Raimondo drückt dies in einem Bild aus, das er von Katharina selbst hatte: ‚Wer sich ins Meer wirft und unter Wasser schwimmt, sieht und berührt nichts anderes als das Wasser des Meeres und die Dinge, die in ihm untergegangen sind. Außerhalb des Wassers sieht, fühlt oder bewegt er nichts. Nur wenn das, was außerhalb liegt, sich in der See spiegelt, kann er es sehen aber nur durch das Wasser, und soweit dieses reicht, nicht anders. So, sagt sie, ist die rechte und ordentliche Liebe, die wir zu uns selbst und zu allen anderen Geschöpfen haben müssen.‘ Raimondo bekennt, daß er nicht ganz sicher war, alles verstanden zu haben, was Katharina mit diesem Bild meinte. Aber, sagt er, eine solche Liebe sei mehr als die eigene Erfahrung. Doch in den kommenden Jahren sollte Katharina zeigen, eine wie grenzenlose Liebesfähigkeit eine Seele haben konnte, die vollkommen im Meer der göttlichen Liebe untergetaucht war.“ (Undset, Katharina Benincasa, S. 59)

„Katharina war tätig, wie nie zuvor. Sie schrieb Briefe, hielt Aussprache mit den Besuchern und verrichtete alle möglichen Werke leiblichen Erbarmens. In ihren Briefen aus Rom spricht sie auch wieder von der ‚Zelle der Selbsterkenntnis‘, die nicht von Menschenhänden im Grunde der Seele errichtet sei. Sie rät ihren Freunden, deren geistliche Führerin sie ist, sich in diese Zelle zurückzuziehen und sie nicht zu verlassen, soviele Aufgaben nach außen hin auch zu erfüllen seien. Wenige Heilige hatten ein so tätiges Leben und waren so von den Aufgaben der Zeit erfüllt wie Katharina von Siena. Aber sie wußte auch, daß ihre wichtigste Aufgabe ein unablässiges Beten war, ein freudiges Leiden; und vor allem die liebevolle, demütige Entgegennahme der Gebote und Ratschläge, die ihr himmlischer Bräutigam ihr in der Ekstase erteilte.“ (Undset, Katharina Benincasa, S. 329+330).

„Das willensstarke, mutige und ungewöhnlich lebensbejahende Mädchen, das die Mächtigen seiner Zeit so überlegen behandelte, mit solch seltenem Verständnis für die Männer und Frauen, unter denen es lebte, das wirklich Frieden zwischen vielen ungebärdigen Mitbürgern stiften konnte, das einige Male Kriege zu verhindern vermochte und oft blutige Fehden beilegte, würde uns die gleiche Antwort geben, die es in seinen Briefen, seinem „Dialog“ und seinen Unterhaltungen, den Zeitgenossen gab: daß das Blut Jesu Christi die einzige Quelle des Mutes, der Kraft, der Weisheit und der so wunderbaren, unbezwingbaren Lebensfreude ist. Katharina würde uns sagen: Trinkt davon mit euren Seelen, wie die Heiligen in ihren Visionen mit ihren leiblichen Lippen zu trinken vermeinten! Stillt euren Durst in der Liebe, die aus Gottes heiligem Herzen strömt! Und enden wird der vergebliche Verlust von Menschenblut durch Menschenhand. In ihren Visionen sah Katharina Gottes Feuer vom Himmel fallen, wie Regen strahlenden Lichts und glühender Hitze. Können wir wirklich etwas von ihrer Erfahrung verstehen, wir, die wir das Feuer des Hasses aus den Wolken fallen sahen, die wir zutiefst in uns fürchten müssen, daß eines Tages ein noch schrecklicheres Feuer, erfunden von einem noch schrecklicheren Haß und von noch wilderen Leidenschaften, über uns und unsere Kinder niederfällt? Uns würde Katharina nur die gleiche Botschaft bringen, die sie ihren Zeitgenossen brachte, nur das gleiche Bußmittel zeigen: das Blut Jesu Christi, das Feuer der Liebe Gottes, das Eigenliebe und Eigenwille verzehrt und die Seele bloßlegt, so schön und voller Anmut, wie sie gedacht war, als uns Gott erschuf.“ (Undset, Katharina Benincasa, S. 108+109)




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