Alfred Delp: Sakramente. In: Gesammelte Schriften III. Knecht 1985. S. 299-407

Die Aufsätze über die sieben Sakramente sind das Ergebnis einer Predigtreihe Alfred Delps von 1941, die unter dem Titel „Von der siebenfachen Not und der siebenfachen Erlösung der Welt“ stand.

So sperrig Delp sein kann, so konkret ist er hier. Er soll im Zitat selbst anklingen, zunächst zum Altarsakrament:

Von der Tatsache Christus her ist unser Tabernakel eine dreifache Erfüllung der großen Sehnsüchte und Schicksale des Menschen in seinem Leben. Da ist die erste Erfüllung seine Gegenwart. Daß er da ist, daß einfach in dieser Welt der Punkt ist, wo die Menschheit erfüllt ist. Schauen wir doch durch die Schleier hindurch! Bleiben wir nicht an irgendwelchen frommen Devotionen oder sonstigen überkommenen Schablonen hängen! Daß wir doch wieder einmal spüren, was gemeint ist! Entweder haben Sie, wenn Sie die Knie vor dem Tabernakel und der Hostie beugen, noch eine Ahnung, daß da der Kyrios ist, Gott, oder wir lügen. Man beugt das Knie nicht aus Gewohnheit, aus Erinnerung, nicht, weil der Nachbar es beugt. […] Ein zweites Mal ist dieser stille Tabernakel Erfüllung dessen, was den Menschen plagt. Es ist da ein Opfer. Der Herr ist da als Opfernder. Er ist nicht nur in unserer Reihe, auf unserer Seite, er ist an unserer Grenze; da, wo unsere Schicksale zerbrechen, da hat er sich hingestellt und ist mitzerbrochen und hat durch dieses Mituntergehen den Untergang innerlich gewandelt. Seitdem gibt es keine endgültige Grenze für den Menschen mehr, keine endgültige Enge mehr, so daß ein Mensch verkommen müßte, seitdem Gottes Sohn in die Enge eines menschlichen Lebens, in die· Enge eines verfolgten Daseins, an die Enge eines Kreuzes, in die Enge eines Tabernakels ging und von da aus segnend und herrschend und herrscherlicher Gott ist. […] Ein drittes Mal ist dieser stille Tabernakel Erfüllung: Kommunion. …. Das war die große Sehnsucht der Menschen: »Du Nachbar-Gott, nur eine schmale Wand trennt mich von Dir« und vielleicht einmal hörst Du mein Klopfen, und sie fällt ein. »Du Nachbar-Gott«: Die Gottinnigkeit des Menschen.

– Alfred Delp: Sakramente, 373 ff.

Was ich allgemein schon so oft in diesen Tagen gesagt habe, das gilt gerade von diesem schweigenden Gott im Tabernakel: daß wir ihn herausholen müssen aus dem Getto, in das wir selbst ihn gesteckt; daß es nicht angeht, daß wir daraus einen Pflichtbesuch, ein Pflichtgebot, eine verschwiegene Ecke machen, in die man sich ab und zu stellt, aus der kein Licht, keine Kraft, keine Antwort fällt in die allgemeinen Nöte und Sorgen unseres Daseins.

– Alfred Delp: Sakramente, 371 f.

Zur Not des Menschen, von der die Taufe befreit:

Der Herr des Lebens ist endgültig weg. Damit kommt der eigentliche Rückzug, das eigentliche Sichverkrampfen und Versteifen auf sich: die berühmte Stelle, wo Faust das Evangelium interpretiert und nicht wahrhaben will, daß im Anfang ein Wort steht, das zu vernehmen ist, das gilt; wo er also daran herumdeutelt und den Sinn sucht in dem, was man selber schafft: Im Anfang steht die Tat, der Einsatz, die eigene Kraft, der Titanentrotz und Titanenstolz, der den Berg des Lebens aus eigener Kraft erstürmen oder wegwälzen oder einebnen möchte.

– Alfred Delp: Sakramente, 305

überdenken Sie den Hergang einer Taufe und Sie werden in dem, was da gebetet wird und gesegnet wird, genau das finden, was als Not im Erlebnis des Menschen ausgesprochen wurde, und genau das überwunden finden. Wenn die Taufe schon beginnt mit der Frage nach dem Namen. Der Name – im alten, ursprünglichen Sinn macht den Menschen zum festen, endgültigen Wesen. […]

Die Frage » Was willst du?« mit der Antwort »Den Glauben« bedeutet das Hinauswachsen über die rein innerirdischen Perspektiven, das Hineingeraten in den endgültigen Raum, in endgültige Dimensionen, wo die Dinge stehen, wie sie sind. […]

Da ist das erste eine Beschwörung, die sich drei-, viermal wiederholt: »Kehre aus, unreiner Geist«. Vor 20, 50 Jahren haben die Menschen gelächelt, weil sie für das Zeichen des Bösen mit religiösen Hintergründen nur ein Lächeln hatten, um ihm freilich dann umso endgültiger zu verfallen. Was hier geschieht, kommt aus dem Wissen um eine Dämonie der Kreatur, die Faust erlebt hat, die er vollzogen hat im Bündnis mit Mephisto, und die der Mensch immer wieder vollzieht, wenn er über Recht und Gesetz und Ordnung und Liebe hinweg seinen eigenen Raum, seinen Platz und seine Macht steigern will zum Schaden der Kreatur. Da wird diese Dämonie gefaßt in ihrer letzten Personifikation, in dem Widergeist gegen Gott. Und dann heißt es: »Geh von ihm, unreiner Geist und mache Platz dem Heiligen Geist, dem großen Helfer und Beistand. Weiche und schände nicht das Haus und laß es Tempel Gottes werden«.

– Alfred Delp: Sakramente, 312 f.