Die großen russischen Autoren haben ein Händchen für Gefängnisliteratur. Das größte Werk daraus ist Solschenizyns „Archipel Gulag“. Doch die Erfindung des Genres ist Dostojewskij geschuldet, der selbst ein paar Jahre im sibirischen Gefängnis verbracht hat.
Für deprimierte Stunden im Winter ist das Buch ideal: viel Dunkelheit und nur ein schwacher Schimmer Hoffnung zwischendurch. Die Auflösung hinein ins Licht dauert (Achtung Spoiler) kaum eine halbe Seite – „Freiheit, neues Leben, Auferstehung von den Toten“ – und ist damit noch kürzer als das, was ich immer für die kürzestmögliche Lösung gehalten habe, in Wiedersehen mit Brideshead von Evelyn Waugh. Deshalb verzeihe man mir, den großen Meister Dostojewskij, der hier oft auftaucht, in die „Rotten Tomatoe“-Kiste abzuschieben. Doch für eine echte, vollumfängliche und ehrliche Empfehlung braucht es einfach mehr Gnade.
Die „Memoiren aus einem Totenhause“ sind halbautobiografisch. Der adlige Sträfling Gorjantschikow schildert das harte Leben unter den Zwangsarbeitern: Hunger, Kälte, Gewalt, mit ein wenig Menschlichkeit. Die Erzählung des psychologischen Innenlebens der Gefangenen ist – Dostojewskij verpflichtet – die eigentliche Größe des Romans.
Nach seiner eigenen Verbannung waren die „Memoiren“ das erste große Werk nach seiner Rückkehr in die literarische Öffentlichkeit. Es bereitete den Boden für seine späteren Hauptwerke wie Schuld und Sühne oder Die Brüder Karamasow, in denen ähnliche Themen – Schuld, Sühne, Freiheit, Gnade – auf komplexere Weise verarbeitet werden.