Man stelle sich einen Film über die Papstwahl vor, der so voller Klischees steckt, dass eingefleischte Kirchenkritiker sich die Hände reiben und auch der nette Nachbar von nebenan sich über die vorgetragenen Absurditäten vor Lachen auf die Schenkel klopft. Voilà: „Konklave“!
Unter der Regie von Edward Berger, dem gefeierten Macher von Im Westen nichts Neues, und mit einer hochkarätigen Besetzung um Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow und Isabella Rossellini, verspricht dieser Film eigentlich großes Kino. Doch statt eines tiefgründigen Dramas oder eines intelligenten Politthrillers bekommt das Publikum ein vor Klischees strotzendes Bild der katholischen Kirche serviert – und das mit einer Subtilität, die an einen Vorschlaghammer erinnert.
Handlung: Ein großes Vatikan-Bullshit-Bingo
Nach dem plötzlichen Tod des Papstes versammeln sich die Kardinäle im Vatikan, um einen neuen Pontifex zu wählen. Soweit, so logisch und korrekt. Doch während Der Papst muss sterben (1991) diese Prämisse noch als Satire nutzte, scheint Konklave es ernst zu meinen. Und genau das ist das Problem.
Direkt von Anfang an wird mit der Brechstange klar gemacht, dass hier ein Haufen Männer zusammenkommen, die vor allem eines eint – der Zwist und die Uneinigkeit. Statt einer differenzierten Darstellung kirchlicher Machtstrukturen erleben wir ein Sammelsurium an Stereotypen und Karikaturen, die – mal subtiler, mal brachial – ein einziges Narrativ bedienen: Die katholische Kirche ist ein von Machtgier, Korruption und Heuchelei zerfressenes Relikt der Vergangenheit. Dass hier in den Dialogen mehr getratscht, geraunt und misstrauisch geblickt wird als in einer durchschnittlichen Telenovela, passt nur ins Bild.
Die Kardinäle selbst wirken nicht wie reale Kirchenmänner, sondern eher wie Comicfiguren aus der Feder eines besonders fantasievollen Redakteurs der New York Times:
• Kardinal Adeyemi (Lucian Msamati): Der reaktionäre Afrikaner mit dunkler Vergangenheit. Er hat sich an Frauen vergangen, uneheliche Kinder gezeugt und zweifelt dennoch frech die Vaterschaft an. Subtilität? Fehlanzeige.
• Kardinal Bellini (Stanley Tucci): Der liberale Intrigant, der stets mit einer Mischung aus Überheblichkeit und opportunistischer Berechnung agiert. Natürlich ist er einer der wenigen „sympathischen“ Figuren.
• Kardinal Tremblay (John Lithgow): Ein konservativer Hardliner, der nichts anderes zu tun hat, als xenophobe Sprüche zu klopfen.
• Kardinal Tedesco (Sergio Castelitto): Der geborene Unsympath, der dem Zuschauer keinerlei Zweifel daran lässt, auf welcher Seite er nicht stehen sollte.
Überhaupt scheinen sich die Figuren in ihren Dialogen gegenseitig übertrumpfen zu wollen, wenn es darum geht, die Kirche als einen einzigen Sumpf der Verkommenheit darzustellen: „Wir dienen nicht Gott“ wird geraunt (natürlich immer im Halbschatten bspw. in Treppenhäusern etc.). Oder „Der Vatikan ist ein politischer Zirkus“ und „Selbst der Papst hat den Glauben an die Kirche verloren“. Und als Krönung darf natürlich die Anspielung auf Päpste, die angeblich „für Hitler kämpften“, nicht fehlen. WTF?
Symbolik mit der Brechstange
Aber Konklave wäre nicht Konklave, wenn nicht auch die visuelle Sprache mit Nachdruck deutlich machen würde, wie veraltet, verrottet und absurd die katholische Kirche doch sei. Dazu gibt es:
- Eine Schildkröte, die gegen Ende symbolträchtig für die langsame, rückständige Kirche aus unerfindlichem Grund durch die Räume läuft.
- Natürlich treten am Ende des Filmes befreit lachende Frauen aus dem Gebäude einer nun freundlichen Zukunft entgegen, vermutlich weil nur außerhalb der vatikanischen Mauern Erlösung zu finden ist.
- Natürlich ist es eine Frau (Isabella Rossellini), die einzige Stimme der Vernunft, die den wütend und kindisch streitenden Mob der egomanischen Männer, die beim Abendessen wild übereinander herfallen, zur Ordnung ruft. Ein besonders heiterer Moment, bei dem sich rechts und links im Kino vor Lachen darüber gebogen wurde, was für ein unwürdiges Schauspiel, der Klerus hier abgibt. Im wahrsten Sinne des Wortes ein Schenkelklopfer.
- Und immer wieder Geraune und Gemauschel hinter verschlossenen Türen im Wechsel mit dramatische Schnitten auf das Deckengemälde, das – wahlweise – das Konklave als Ringen mit dem Teufel oder gar den Teufel selbst darstellt.
- Generell herrschen Triste, kalte Farbtöne, die jede Szene so grau erscheinen lassen, als hätte das Kirchenoberhaupt zugleich mit dem Papsttum auch die Sonne aufgegeben.
Und dann wäre da noch der große und vollkommen absurde Plottwist (Achtung, Spoiler!): Der neue Papst wird ein intersexueller Kardinal, der sich – wie passend – den Namen „Innocent“ gibt. Hier ist das Drehbuch endgültig am Ende seiner kreativen Kräfte angelangt und greift nach dem letzten Strohhalm: maximaler Skandalwert und plumpes politisches Framing.
Lob und Tadel – Die gespaltene Kritik
Umso verwunderlicher, dass der Film auch in katholischen Kreisen zum Teil auf klare Zustimmung stößt. Dass Nicht-Katholiken hier viel positives entdecken konnten, verwundert nicht. Jeder liebt es, wenn Vorurteile bestätigt werden. So schrieb ein Zuschauer auf Rotten Tomatoes: „Ein solider Film, der Ihr Interesse während der gesamten Laufzeit aufrechterhält. Für diejenigen, die nicht katholisch sind, war er nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich.“ (rottentomatoes.com).
Doch hier stellt sich die Frage: Wenn der Film als lehrreich empfunden wird – was genau lernen die Zuschauer? Dass die Kirche nur aus machtgierigen, intriganten alten Männern besteht? Dass ein Konklave nichts anderes ist als eine Bühne für Egospiele und politische Ränkespiele? Dass der Vatikan so rückständig ist, dass ihn nur ein radikaler Bruch mit Traditionen retten kann? Wer eine echte, differenzierte Auseinandersetzung mit der Kirche erwartet, wird hier enttäuscht.
Fazit: Wenn Hollywood Kirche spielt
Man hätte aus Konklave einen spannenden Film machen können – einen Politthriller über Glaube, Zweifel und Macht. Stattdessen ist es ein vorhersehbares Klischeefeuerwerk geworden, das weder die Komplexität des Vatikans noch die Spannungen innerhalb der katholischen Kirche ernsthaft einfängt und erst recht ein völlig verzerrtes Bild des Glaubens und der Kirche zeichnet.
Die triste Ästhetik, die eindimensionalen Charaktere und die überdrehte Symbolik machen den Film zu einer Mischung aus Politdrama und unfreiwilliger Komödie – was das Publikum in meiner Vorstellung übrigens offenbar genauso empfand, denn es wurde an den absurdesten Stellen schallend gelacht. Wer einen Film über die Kirche sehen möchte, der sich wie ein Artikel aus einem x-belibigen progressiv-atheistischen Medium anfühlt, ist hier genau richtig. Wer sich eine differenzierte Auseinandersetzung erhofft, sollte sich lieber einen anderen Film anschauen.
Bishop Barron hat es gut auf den Punkt gebracht: „Since it checks practically every woke box, I’m sure it will win a boatload of awards, but my advice is to run away from it as fast as you can.“
Denn Konklave ist nicht einfach nur antikatholisch – es ist vor allem eins: erschreckend einfallslos.