Über den Inhalt von Tolkiens epischem Meisterwerk müssen nicht viele Worte verloren werden, ist seine Fantasy-Erzählung aus Mittelerde doch zumindest als Filmtrilogie aus den 2000er Jahren einem breiten Publikum bekannt geworden und hinlänglich in der Popkultur angekommen, genauso wie die seiner Feder entsprungenen Völker: Zwerge, Elfen, Zauberer, Orks und Hobbits. Die Deutung, dass Tolkien mit Der Herr der Ringe auf seine Weise die „catholic story“ – also das katholische Narrativ schlechthin (so formuliert es zumindest Bishop Barron, dessen Podcast sowie Instagram-Auftritt wir übrigens auch empfehlen) in fantastischem Gewand zu Papier gebracht hat, ist hingegen weniger Menschen geläufig. Tolkien, der sich zwar ausdrücklich gegen eine zu allegorische Konzeption und Lesart von Fantasy-Geschichten wandte, verwendet nichtsdestotrotz Motive, die seinem Weltbild als gläubigem Katholiken entspringen und dahingegend verstanden werden können. Diese zu entdecken kann dem christlichen Leser einen (neuen) Anreiz bieten, sich auf die von ihm erschaffene Welt einzulassen, auf den Spuren von Frodo, dem Hobbit, und seinen Gefährten; und Zeuge des Kampfes zwischen Gut und Böse zu werden, der im Innersten dieser Welt tobt – seit ihrer Erschaffung, wie in Tolkiens ebenfalls lesenswertem, unbekannterem Werk Silmarillion dargelegt.
Im Silmarillion finden sich auch bereits die Grundlagen eines Verständnisses des Dreigestirns Frodo, Aragorn und Gandalf/Mithrandir als Priester, König und Prophet und damit als Christustypen (mehr zu der Thematik von Bishop Barron auf YouTube):
„Frodo der Halbling, so heißt es, trug die Bürde, auf Bitten Mithrandirs, und allein mit einem Diener ging er durch Dunkel und Gefahr“ (S. 408), ging den Kreuzweg, brachte das Opfer unter Einsatz seines Lebens und besiegte dadurch das Böse.
„Bei all dem nun hatten Mithrandirs Rat und Wachsamkeit den Ausschlag gegeben, und in den letzten, entscheidenden Tagen erwies er sich als ein Herr von hohem Rang, und er ritt in die Schlacht in einem weißen Mantel“ (S. 409). Mithrandir/Gandalf, der Typus des Propheten.
„Hier sei nur gesagt, daß in jenen Tagen Isildurs Erbe im Norden aufstand, und […] er zog in den Krieg, ein großer Heerführer der Menschen. Es war Aragorn, Arathorns Sohn“ (S. 408), der verborgene und schließlich siegreiche König.
(Zitate aus: J.R.R. Tolkien, Das Silmarillion, Klett-Cotta 1977, S. 408+409)