Hans Joas: Glaube als Option. Herder 2012

Wir haben auf dieser Seite nicht viel Soziologie zu bieten. Doch Joas gehört eindeutig hier hin. „Glaube als Option“ ist eine optimistische Betrachtung der individualisierten Religiosität der Gegenwart.

Das Buch ist eine Zusammenstellung verschiedener für Laien lesbarer Artikel und Vorträge. Wenn man es auf eine einzige soziologische Feststellung herunterbrechen will, dann ist es diese: Die gängige Überzeugung, dass der Fortschritt die Religion abschaffe, ist falsch. Moderne und Religion schließen sich nicht aus, sondern führen zu massiven Veränderungen und stimulieren Anpassungen. Niemand sagt das so gut und pointiert, wie er selbst:

Das Selbstgefühl, mit dem Unglauben an der Spitze des Fortschritts zu stehen, ist ebenso perdu wie umgekehrt die pharisäische Selbstgewissheit, durch den Glauben schon ein moralisch besserer Mensch zu sein.

Besonders faszinierend finde ich, Autor dieser bescheidenen Zeilen, das Kapitel über die Fortschrittsnationen Südkorea und USA, mit ihren religiösen, christlichen Aufbrüchen. Von hier ein paar Zeilen:

Während bei den europäischen Ausnahmefallen immer die Möglichkeit blieb, die weniger säkularisierten Gesellschaften auch als wenig modern zu klassifizieren, ist dies im Fall der USA unmöglich. Niemand bestreitet ernsthaft die „Modernität“ der USA; niemand bestreitet auch, dass die USA nach allen Indikatoren – wie immer dies im einzelnen umstritten sein mag – wesentlich und kontinuierlich höhere Werte für Religiosität aufweisen als fast alle europäischen Gesellschaften; die USA sind religiös vital und sogar produktiv: Es entstehen dort neue Formen der Verkündigung (Televangelismus; Megachurches), aber auch immer neue, oft erfolgreiche religiöse Bewegungen (Mormonen, Pfingstbewegung). […] Die heute am überzeugendsten wirkende Erklärung leitet die religiöse Vitalität der USA aus dem religiösen Pluralismus in Verbindung mit einer frühzeitigen Trennung von Staat und „Kirche“ ab, einer Trennung allerdings, die nicht wie im französischen Laizismus ein skeptisches, sondern vielmehr ein ermutigendes Handeln des Staates gegenüber allen Religionen beinhaltet.

Hans Joas: Glaube als Option. Herder 2012, 36f.

Man wird durch Joas Soziologie einfach klüger. Was man immer schon halb wusste, wird bei ihm klar, was man immer schon ahnte, erlangt bei ihm Kontur. Gehört in jedes ordentliche Bücherregal!