Peter Berglar ist einer der vergessenen katholischen Autoren, der noch vor 60 Jahren an einem hervorragenden biografischen und romanesken Werk publizierte.
Die Biografie beginnt so komplex wie der Mann ist: mit Hingabe Vater, mit Spannung Ehemann, mit Leidenschaft Lehrer, mit Arbeitseifer Staatsdiener, mit Hingabe Katholik, mit Polemik Autor. Viele Biografien stecken in einer. Überwältigend wird Thomas‘ Leben zum Ende hin, so überwältigend wie klar: das kommende Martyrium zeichnet sich immer stärker ab. Immer klarer wird sein Weg, immer geringer der Kreis derjenigen, die ihn begreifen können.
Sein Weg ist ein vorsichtiger, es gibt kein Draufgängertum, ein ängstlicher Weg. Gottes Gnade darf nicht erzwungen werden, durch ein ungefordertes Bekenntnis. Vielleicht muss es kein Martyrium geben. Morus Schritte sind langsam, bedächtig. Auch die Angst führt zur Vorsicht:
Angst – vielleicht das Schrecklichste bei jeder Passion. Niemand kann da mitreden, der sie nicht erfahren hat; niemand jemanden verurteilen, der ihr nicht gewachsen ist und der unter ihr zusammenbricht. Wie sie das Herz des gefangenen Morus im Schraubstock hält, vermögen wir nur zu ahnen – so aus einigen Briefstellen; etwa wenn er Margaret bekennt: «Schon bevor ich hierher kam, sann ich über alle möglichen Gefahren nach, in die ich mein Leben durch die Verweigerung des Eides versetzte. Bei dieser Betrachtung mußte ich feststellen, daß mein Körper viel stärker vor Schmerzen und Tod zurückschreckt, als es sich für einen gläubigen Christen geziemt…» Und im folgenden Brief: «Von Natur bin ich sehr wehleidig, ich schrecke beinah vor ei- nem Nasenstüber zurück. Aber in all den entsetzlichen Todesängsten, die ich, wie du weißt, vor meiner Einlieferung in den Tower oft mit verzagtem und bekümmertem Herzen durchkostete; wenn mir alle Ge- fahren und schmerzlichen Todesarten, unter denen ich möglicherweise mein Leben lassen müßte, bewußt wurden, und wenn ich lange und sinnend wachlag, während meine Frau mich schlafend wähnte, da habe ich mich dennoch in keinem einzigen Augenblick mit dem Gedanken vertraut gemacht (etwa in äußerster Furcht vor diesen körperlichen Schmerzen), einer Sache zuzustimmen, die sich gegen mein Gewissen richtete und mir Gottes tiefstes Mißfallen zuzöge…» Angst – sie behält in Thomas nie das letzte Wort, aber sie ist auch nie endgültig überwunden.
Berglar: Die Stunde des Thomas Morus, S. 307f.
Berglars Morus-Biografie ist durch das Epitaph des Morus-Grabs in Chelsea strukturiert, von diesem selbst zu Lebzeiten verfasst. Jedem Biographiekapitel steht ein Abschnitt des Epitaphs vor. Wir geben hier nur das großartige Zitat aus dem Frauenkapitel wieder:
Nachtrag zur Grabinschrift: «Mein geliebtes Weib Jane liegt hier. Ich, Thomas More, wünsche, daß dieses Grab auch Alice und mich aufnimmt. Die eine der beiden Damen, meine Frau in den Tagen meiner Jugend, hat mich zum Vater eines Sohnes und dreier Töchter gemacht; die andere hat ihre Stiefkinder – was bei einer Stiefmutter selten ist – so geliebt, wie wenige Mütter ihre eigenen Kinder lieben. Die eine beendete ihr Leben an meiner Seite, die andere teilt es noch immer mit mir, und auf eine Weise, daß ich nicht beurteilen kann, ob ich die eine mehr geliebt habe oder die andere mehr liebe. Ach, wie glücklich hätten wir alle drei zusammengelebt, wenn Schicksal und Moral es gestattet hätten. Ich bete darum, daß das Grab, gleich dem Himmel, uns vereint. So wird der Tod uns schenken, was das Leben uns nicht geben konnte.
Peter Berglar: Die Stunde des Thomas Morus