Von Spurgeon, dem prince of preachers der Baptisten, sind natürlich insbesondere seine Predigten bekannt, in rauer Zahl und oft mit wunderbarer Tiefe. Man muss kein Baptist sein, um ihn dafür zu lieben.
Wer mehr von ihm will, sollte zu seiner Autobiografie greifen, in der ein Mann in Erscheinung tritt, der vom göttlichen Feuer erfasst ist. Sein eigentliches Ziel ist die Predigt an diejenigen, die noch nicht glauben:
Sie [die Diakone] waren hart arbeitende Männer während der Woche, und doch war ihnen am Sonntag für ihren Herrn nichts zu viel. Einer dieser wertvollen Brüder, ein lieber alter Christ, sagte mir eines Tages, als ich bei ihm zum Essen eingeladen war: »Ich wünschte, Sie würden diese Einladungs-Predigten nicht halten. Sie sind zu allgemein in Ihren Aufforderungen. Sie bestürmen die Leute zu sehr, zu Christus zu kommen. Ich bin nicht für so etwas. Denn es stimmt einfach nicht über- ein mit meinem Glauben.« »Nun«, antwortete ich, was sollte ich denn Ihrer Meinung nach predigen?«Er sagte: »Obwohl ich solche Predigten nicht mag, ist es doch offensichtlich so, daß der Herr sie mag, denn mein Schwiegersohn ist unter einer solchen Predigt zu Gott umgekehrt, und als ich am darauffolgen- den Sonntag voller Ärger nach Hause kam, weil Sie so sehr von Fuller beeinflußt sind, da saß da meine Tochter und weinte sich das Herz aus dem Leib. Also, fügte er hinzu, nehmen Sie keine Rücksicht auf so einen alten Mann wie mich. So lange Gott Sie segnet, machen Sie weiter in Ihrer Art.« Ich fragte: Aber meinen Sie nicht auch, lieber Bruder, daß, wenn Gott diese Art des Predigens bestätigt, auch Sie sie mögen sollten?« »Vielleicht sollte ich, aber ich bin ein alter Mann und bin in diesen Ansichten erzogen worden. Ich fürchte, daß ich da nicht mehr heraus kann. Aber nehmen Sie auch nicht die geringste Notiz von dem, was ich sage. Genau das hatte ich mir vorgenommen, und so waren wir schließlich wieder einer Meinung.
Spurgeon (2002), 126
Den größten Platz nimmt die Geschichte mit seiner Londoner Gemeinde ein, der Wachstum der kleinen Truppe zur größten Londoner Baptistengemeinde. Hier der Anfang der Geschichte, im durch und durch freikirchlichen Ton:
Als ich zur New Park Street-Gemeinde kam, waren es nur eine Handvoll Leute – etwa 200, vor denen ich predigte; und doch kann ich nie vergessen, wie ernstlich sie beteten. Mehr als einmal waren wir alle durch die Feierlichkeit unseres Zusammenseins so von Ehrfurcht erfaßt, daß wir für eine Zeit still saßen, während uns die Kraft des Herrn zu überschatten schien. Alles, was ich dann tun konnte, war, den Segen zu sprechen und zu sagen: »Ihr lieben Freunde, wir haben heute abend erlebt, wie sich der Geist Gottes hier bemerkbar gemacht hat. Laßt uns nach Hause gehen und uns vorsehen, daß wir sein gnädiges Wirken in uns nicht verlieren. Schließlich kam der Segen Gottes auf uns, das Haus wurde mit Zuhörern gefüllt, und viele Seelen wurden gerettet. Alle Ehre gebe ich dafür immer Gott. Aber ich vergesse dabei nicht, was für ein Vorrecht er mir geschenkt hat, daß ich von Anfang an vor einer betenden Gemeinde predigen durfte. Wir haben in der New Park Street Gebetstreffen gehabt, die unsere eigenen Seelen tief bewegt haben. Mich erschreckte die Wirkung meiner Predigten. Der Gedanke an die »Karriere«, die sich da vor mir zu öffnen schien, machte mich keineswegs stolz, sondern warf mich vielmehr in die tiefste Tiefe hinunter. Ich konnte nur noch »Erbarme Dich« rufen, aber nicht mehr »Ehre sei Gott in der Höhe«. Wer war ich denn, daß ich weitermachen und eine so große Menge führen sollte? Ich wollte wieder zurück in die Verborgenheit des Dorfes, oder nach Amerika auswandern und irgendwo in den Wäldern ein einsames Nest finden, wo ich für das, was von mir verlangt wurde, geeignet war. Es war die Zeit, da der Vorhang über dem, was mein Lebenswerk sein sollte, sich hob, und ich fürchtete mich vor dem, was er enthüllen würde. Ich hoffe, daß ich nicht ohne Glauben war, aber ich war voller Furcht und mit einem Wissen um meine Unbrauchbarkeit erfüllt. Ich fürchtete das Werk, das eine gnädige Vorhersehung für mich bereitet hatte.
Spurgeon (2002), 139
Die Autobiografie ist eine Kürzung eines viel längeren Werkes, das zugleich aber C. H. Spurgeon unvollendet gelassen hat. Seine Frau Susanna Spurgeon hat es ergänzt – manchmal stehen leider beide Erzähler direkt nebeneinander, sodass man nicht immer leicht folgen kann.