Das Büchlein Über den Tod stammt aus Dietrich von Hildebrands Nachlass, posthum veröffentlicht: eine sachliche philosophisch-theologische Annäherung an das Mysterium, das jeden Menschen beschäftigt. Und mit wachsender Kenntnis des Todes und des christlichen Todes wächst die Zuversicht und die Hoffnung.
Schmerzvoll ist er jedoch immer:
Wie stehen die zwei Aspekte existentiell zueinander: auf der einen Seite der Tod wie ein furchtbares Ende von allem und auf der anderen Seite die in unserer Gotteserkenntnis sowie in den mannigfaltigen Hinweisen auf ein Jenseits gegründete Überzeugung von der Unsterblichkeit der Seele? Rational müßte diese unsere Überzeugung den grauenvollen Aspekt des Todes weitgehend modifizieren. Stehen sich ein bloßer Eindruck und eine in absolut gewisser Erkenntnis fundierte Überzeugung gegenüber, so müßte doch diese den Ausschlag geben. Es stehen sich nicht nur eine abstrakte Einsicht und ein anschaulich gegebener Eindruck gegenüber, sondern auch das existentielle Erleben des Hinweises auf ein Jenseits, das das Leben in allen tiefen und großen Augenblicken durchzieht. Um so mehr müßte die Gewißheit der Unsterblichkeit dem Tod sein Grauen nehmen. Aber dem ist nicht so, weil der Hinweis auf ein Jenseits sich auf etwas gänzlich Unbekanntes, Unvorstellbares richtet, während der Aspekt des Todes als des Lebensendes sehr bestimmt und anschaulich ist. Wir erleben die plötzliche Abwesenheit eines geliebten Menschen, eine unbegreifliche Trennung von ihm, eine entsetzliche Leere.
Hildebrand (1980), 25
Diese Urangst vor dem Dahinscheiden nimmt auch die christliche Hoffnung nicht weg, soll sie auch nicht. Der Tod bleibt in seiner ganzen Härte präsent, und wird erst von hier überstrahlt von Gottes Gnade. Die Gnade zerstört die Natur nicht, sie erhöht sie:
Der natürliche Aspekt darf in allem nie übersprungen werden, sondern muß von dem übernatürlichen überstrahlt werden. So soll das Leiden auf Erden nicht deshalb wie ein beglückendes Geschenk behandelt werden, weil man das Kreuz freudig für und mit Christus trägt. Es darf nicht die Stelle des natürlich Beglückenden einnehmen, auch nicht die der beglückenden übernatürlichen Geschenke, wie charismatischer Gnaden. Der Charakter des Kreuzes soll nicht verlorengehen. Auch ein freudig für Christus aufgeopfertes körperliches Leiden hört nicht auf zu schmerzen und verwandelt sich nicht in ein körperliches Wohlgefühl.
Hildebrand (1980), 101
Doch die Gnade strahlt eben doch. Es ist die jenseits des Todes stehende Hoffnung auf die endgültige, nicht mehr endende Vereinigung mit dem Herrn, die im Schmerz Freude bewirkt:
Ein ganz neues Gesicht gewinnt der Tod für den, in dem eine tiefe, letzte Liebe zu Jesus lebt und der darum von der Sehnsucht nach der Vereinigung mit Ihm von Angesicht zu Angesicht und in Ihm und durch Ihn mit Gott Vater verzehrt wird. Diesen Aspekt des Todes bringt der in vielen Klöstern übliche Ruf zum Ausdruck, wenn für ein Mitglied der Klostergemeinde die Stunde des Todes schlägt: Ecce, sponsus venit, exite obviam ei. Der Aspekt des Todes als Stunde des Gerichtes ist nicht verschwunden, doch steht die Vereinigung mit Jesus im Vordergrund.
Hildebrand (1980), 70