Wer nach einem lesbaren Einstieg in das nicht unbedingt leicht zugängliche Werk des Norwegers Jon Fosse, des Literaturnobelpreisträgers von 2023, sucht, dem sei der kurze Roman „Morgen und Abend“ empfohlen. Der Schriftsteller, der 2013 zum katholischen Glauben konvertierte, beschäftigt sich in dieser im stream-of-consciousness verfassten Erzählung mit nichts Geringerem als dem Thema „Tod und Sterben“, dem Existentiellen, Unausweichlichen, und das so schlicht, so kunstvoll und so ungewöhnlich. Zwischen Geburt und Begräbnis entspannt sich ein ganzes Leben, das des einfachen Fischers Johannes, und schrumpft zugleich zusammen zwischen diesen beiden mächtigen Polen: Anfang und Ende. Dazwischen strahlen der ganze Reichtum und die Würde, aber auch die Härte und die Einsamkeit dieses wie eines jeden Menschenlebens auf (auch in dem mit wenigen Sätzen skizzierten Schicksal einer Nebenfigur wie dem Fräulein Pettersen) – das schließlich vergeht, vergehen muss, weil das Leben nun einmal in den Tod mündet. Vergänglichkeit ist eins der Hauptmotive dieser Erzählung, die damit aus christlicher Perspektive in guter Memento Mori – Tradition steht: „Mensch, bedenke, dass du sterben musst, damit du klug werdest!“ (nach Psalm 39,5)
Allein die christliche Hoffnung vermisst man beim Lesen, was auch damit zusammenhängt, dass Fosse die Hauptfigur selbst kein eindeutig christliches Gottes- und Jenseitsbild vertreten lässt, doch die Sehnsucht nach einem guten Gott und nach Erlösung scheinen zwischen den Zeilen dennoch hervor.
Eine weitere norwegische Literaturnobelpreisträgerin und Konvertitin, die wir auf ad-fontes vorstellen, ist Sigrid Undset.
Eine Erzählung, die sich ebenfalls um einen norwegischen Fischer dreht, und doch ganz anders ist, finden Sie hier.