Marie Noël ist ein Zweig auf demselben katholischen Stamm, dessen Saft auch den dunklen Georges Bernanos genährt hat: heiliges, zartes Licht inmitten von nagender Dunkelheit. Sie wird zugleich von der gleichen französischen Leichtigkeit, auf der auch Madeleine Delbrêl schwebt, getragen.
Es gibt Tage, an denen ich bedrückt, träge, gewöhnlich, irdisch bin, unfähig das Unsichtbare zu berühren. (…) Dann kann ich eine Katze oder einen Hund lieben, aber nicht Gott, die Heilige Jungfrau, die Heiligen und die Engel. Ich kann sie mir nicht vorstellen. Denn es ist sehr mühsam und anstrengend, Gott zu denken und alles, was für die Sinne nicht existiert, und treu das zu betrachten, was man nicht sieht, auf das zu hören, was man nicht vernimmt, das zu lieben, was nur in der Seele existiert, die jetzt leer ist. Hat sie sich beruhigt, entzündet sich allmählich wieder ein schwacher Schimmer und belebt den Geist neu. Aber wird er sich immer wieder neu entzünden? Wird nicht am Ende die schwarze Müdigkeit bleiben, von der er sich nicht mehr erholt? Was vermag ein Körper ohne Seele, wenn der ganze Himmel erloschen ist. Er kann sich nur noch erinnern. Nur noch an Christus erinnern, den er einst gesehen hat und auf seiner alten Liebe einschlafen, mit gefalteten Händen, und auf die alten Gewohnheiten vertrauend, mit einem Mund, der von all den Gebeten schon ganz abgenutzt ist. Und beim Einschlafen wiederholen. Amen. So sei es.
(Noël: Erfahrungen mit Gott, hier zitiert)