Alfons Maria von Liguori war nicht nur Bischof und Ordensgründer, sondern auch ein bedeutender spiritueller Lehrer des 18. Jahrhunderts. Außerdem ist er ein Heiliger der katholischen Kirche.
Unter dem Titel Elemente einer Spiritualität der Liebe hat Engelbert Recktenwald eine alte Schrift neu aufgelegt. Hierin klingen in großer Klarheit die alten christlichen Wahrheiten auf, wie sie in der Imitatio Christi schon früher zu finden waren. Der Stil des 18. Jahrhunderts mag nicht jedermanns Sache sein, wird einige jedoch den Glaubensweg eröffnet und erleuchten.
Wie wird man heilig? Klare Frage, klare Antwort:
Die zwei großen Mittel, heilig zu werden: Das Verlangen und der Entschluß. Die ganze Heiligkeit besteht in der Liebe Gottes. Die göttliche Liebe ist jener unerschöpfliche Schatz, mit dem wir die Freundschaft Gottes erwerben: „Sie ist ein unerschöpflicher Schatz für die Menschen; wer ihn benützt, wird der Freundschaft Gottes teilhaftig“ (Weish 7, 14). Gott ist geneigt, uns diesen Schatz seiner heiligen Liebe zu geben, Er will aber, daß wir ein starkes Verlangen danach haben. Wer nach einem Gute kein großes Verlangen hat, gibt sich auch keine große Mühe, es zu erlangen. […]
Die guten Begierden muß der entschlossene Wille begleiten, sich Gewalt anzutun, um das verlangte Gut zu gewinnen. Viele verlangen nach Vollkommenheit, wollen aber die Mittel dazu nie ergreifen: sie möchten in eine Wüste gehen, große Bußwerke verrichten, viel beten, den Märtyrertod leiden; aber all dergleichen Begierden erweisen sich als unwirksame Wünsche, die ihnen, statt zu nützen, vielmehr schaden. Das sind jene Wünsche, die den Faulen töten: „Die Wünsche töten den Faulen“ (Spr 21, 25). Denn während er sich an diesen unwirksamen Wünschen weidet, versäumt er inzwischen, seine Fehler abzulegen, seine Neigungen abzutöten, Verachtung und Widerwärtigkeiten mit Geduld zu ertragen.
Liguori (2000), S. 22-23