Alessandro Manzoni: Die Verlobten. Insel 2008

Ein „christlicher Roman“ oder überhaupt der „größte italienische Roman“ – an Untertiteln fehlt es nicht für die „Verlobten“. Sogar Goethe hat gesagt: „Ich habe Ihnen zu verkünden, daß Manzonis Roman alles überflügelt, was wir in dieser Art kennen…“ Kurz, Manzoni gehört in jedes Bücherregal, noch besser, in jede Leserhand katholischer Literatur.

Es handelt sich nicht nur um einen Gesellschaftsroman des fromm-christlichen, zugleich verworren-sündhaften italienischen Barock, sondern zugleich um einen Pestroman, von der gleichen distanziert-ironischen Bauart wie der provenzalische „Husar auf dem Dach“ von Giono. Manzoni schreibt zugleich Drama und Gazette, durchstrickt mit tiefen, ernsten Weisheiten. Von den Irrungen (vor allem Wirrungen) des verlobten Pärchens schwenkt der Blick wieder und wieder ins Politische, Gesellschaftliche, zu faszinierenden Randgestalten und in die Kirche. Die Kirchenleute stehen in Manzonis Erzählung in ihrer vollen, widersprüchlichen Gestalt: mit heiliger Größe und mit ängstlichem Egoismus. Gute Hirten und faule Selbstbediener sind munter vermischt, im Roman wie in der Wirklichkeit.

Aus den Weisheiten des Werkes sei hier eine geboten, die plötzlich da steht, im Zusammenhang mit der merkwürdigen Geschichte einer Nonne ohne Berufung:

Es ist eine der besonderen und unveräußerlichen Eigenschaften der Religion, daß sie jeden, der sich, aus was immer für Anlässen, an sie wendet, zu beruhigen und auf den rechten Weg zu weisen vermag. Die Erfahrungen zweier Jahrtausende haben das Christentum zu einer unvergleichlichen Waffe gegen die Bedrängnisse des Augenblicks geschmiedet. Zwar hebt es die Leiden nicht auf; indem es sie aber für heilsam erklärt, macht es sie erträglich, ja am Ende fast erwünscht. Der beste Weg aus dem Unentrinnbaren ist es, ihm nicht entrinnen zu wollen: zuerst nicht dem Leben, zuletzt nicht dem Tod. Wenn es also für etwas schon Geschehenes, Unwiderrufliches ein Heilmittel gibt, so schreibt die Religion es vor, reicht es an die Hand und spendet Einsicht und Stärke, es auch ins Werk zu setzen; gibt es aber ein solches Mittel nicht, so lehrt sie wenigstens, aus der Not eine Tugend zu machen. Sie weist uns an, mit Klugheit fortzusetzen, was wir aus Unklugheit begonnen haben; sie bewegt die Seele, willig zu umfassen, was übermächtige Bedrückung ihr auferlegt hat, und verleiht dem Entschlusse, der vermessen gewesen sein mag, die ganze Heiligkeit und Schmackhaftigkeit, ja alles Glück der Berufung. Sie ist ein so beschaffener Weg, daß der Mensch, aus welchem Labyrinthe, aus welchem Abgrund er ihn auch betrete und den ersten Schritt darauf tue, mit Sicherheit weiterschreiten und freudig an sein Ziel gelangen kann.

Manzoni: Die Verlobten, Manesse 1958, 214-215

Online findet man einiges, auch auf deutsch, hier zumindest den ersten Teil.