Louis de Wohl: Licht über Aquino. Walter-Verlag 1950

Papst Pius XII. persönlich soll Louis de Wohl (1903 – 1961) animiert haben, einen historischen Roman über den hl. Thomas von Aquin zu verfassen. Dabei herausgekommen ist Licht über Aquino: Eine unterhaltsame Mischung aus Heiligenbiografie, Abenteuererzählung und Ritterroman.

Während das Dominikanergenie Thomas seine Lebensaufgabe entfaltet, Vernunft und Glaube, Philosophie und Theologie miteinander zu versöhnen, kämpft der Engländer Piers Rudde, der heimliche Held des Romans und Idealbild des christlichen Ritters, unzählige tapfere Schlachten; stürzt sich Kaiser Friedrich II. in die Fehde mit dem Papst; zieht der hl. Ludwig IX. zum Kreuzzug aus – die große europäische Geschichte des 13. Jahrhundert nimmt ihren Lauf.

Louis de Wohl hat eine Vielzahl historischer Romane um Person und Zeit großer christlicher Heiliger geschrieben. Eine Wiederentdeckung lohnt sich!

Hier ein Auszug aus einer Szene, in der Thomas von Aquin die Bettelorden gegen ihre Angreifer verteidigt, betrachtet durch die Augen Piers Ruddes:

„‚- – – und darum rufen wir in Verteidigung gegen die vorgenannte Anklageschrift auf: Bruder Thomas von Aquin, vom Orden der Prediger.‘

Piers‘ Brust hob sich in einem unhörbaren Seufzer.

Thomas stand auf. Er hielt seine Notizen zusammengerollt in der Hand; es sah aus wie ein kurzer Stab oder ein Szepter. Dabei glich er durchaus nicht einem Heerführer oder Herrscher. Ein großer, dicker, freundlicher Mann sprach mit einer klaren, ebenmäßigen Stimme.

Piers verstand nicht einmal die Hälfte von dem, was Thomas sagte. Vier Jahre als Laienbruder geben einem Mann nicht viel philosophisches oder theologisches Wissen. Aber er war den größten Teil seines Lebens Soldat gewesen. Er hatte gesehen, wie Ritterscharen in voller Rüstung aufeinander einritten und mit splitterndem Krachen zusammenstießen; er hatte die wilden, wütenden, blitzgeschwinden Angriffe von Arabern und Sarazenen erlebt und so manchen Einzelkampf zwischen Kriegsleuten, deren Kraft und Mut sie weltberühmt gemacht hatten. Niemals aber hatte er erlebt, was er jetzt erlebte.

Ihm war – und nicht nur ihm allein –,  als stünde zwischen Thomas und den vier Richtern ein gigantisches, rauchiges, wolkiges Gebilde, die Verkörperung der feindlichen Anklage. In dieses Gespenst hinein segelte der große, dicke, freundliche Mann Thomas und begann etwas, das man nur als methodische Abbrucharbeit bezeichnen konnte. Er schlug nicht darauf los. Er stieß nicht gewaltsam hinein. Er schien auch nicht im geringsten böse auf das Gespenst. Er zerlegte es nur. Er löste ein Stück nach dem anderen los und zeigte es den Richtern mit einer Miene, als bedauerte er, daß es von so schlechter Beschaffenheit war […] und von dem gigantischen, rauchigen, wolkigen Gespenst waren nun nur noch Fetzen übrig. Thomas schickte sich an, diese Fetzen in winzige Stücke zu zerreißen, und die Stücke dann zu Pulver zu zermahlen, alles das mit einer Art von behutsamer, engelhafter Geduld. Nicht ein einziges Mal erhob er die Stimme.

Zum Schluß glich er einem Mann, der ein Blumenbeet sehr gründlich von Unkraut gesäubert hat und nun findet, daß es auf dem Beet nie eine einzige Blume gegeben hat. […]

Er hatte die Logik als Zerstörungswaffe arbeiten sehen, die personifizierte Logik – von einer Stärke, wie selbst er sie nie zuvor erlebt hatte.“

Louis de Wohl: Licht über Auqino, Walter-Verlag 1950, S. 291-293.

Mehr über Thomas von Aquin auf ad-fontes gibt es hier; Werke anderer und über andere Dominikaner hier.